Pin-ups (d)
In einer Zeit, als das Fernsehen noch nicht dominierte und Zeitschriften florierten, war die Glamour-Fotografie ein bedeutender Markt für Fotografen und eine feste Grösse in der Welt des Bildjournalismus.
Als ich in den frühen fünfziger Jahren als Fotograf anfing, waren bei der Presse Bilder von People-in-the-News am meisten gefragt. Daneben gab aber auch einen grossen Markt für Glamour-Fotos und die Redaktionen wussten genau, welche Art von Bildern sie wollten. Der amerikanische National Enquirer zum Beispiel schickte mir Kopien von Bildern, die sie verwendet hatten, und schrieb: «Wie Sie sehen können, bevorzugen wir den Bikini-Badeanzug und den Typ von Figur, der ihn gut ausfüllt.» In Fachzeitschriften erschienen Artikel, die erklärten, wie man zu den besten Pin-up-Bildern komme. Sie empfahlen, aus den Modell-Listen von Agenturen das Girl auszuwählen, das am besten für das Projekt geeignet sei. Sie gaben Hinweise auf die Requisiten, die man mitbringen sollte, um ein lebendigeres Bild zu machen, irgendeinen Krimskrams um den optisch langweiligen Sand zu brechen oder eine Gitarre, um dem Bild eine besondere Note zu verleihen. Bestimmte natürliche Elemente an einem Hafen, ein Anker oder ein Fischernetz zum Beispiel, sollten als suggestive Elemente verwendet werden. Die Modelle sollten lackiertes, glänzendes Haar haben oder es frei im Wind wehen lassen. Für den Fall, dass das Make-up verbessert werden müsse, solle man ein Schminkset bereithalten. Sehr gut für Schwarz-Weiss-Fotos geeignet sei Pancake N25 von Max Factor, während der 3N für Farbfotos verwendet werden könne... All diese gut gemeinten Ratschläge nützten mir nicht viel, denn die meisten meiner Shootings waren improvisiert. Damals gehörten Glamour- oder Pin-up-Fotos zur Routine eines Fotografen. Hübsche Frauen freuten sich immer noch, wenn ihr Bild in einer Zeitung oder Zeitschrift veröffentlicht wurde, aber es war nicht möglich, Models aus einer Liste auszuwählen. An der Côte d'Azur gab es keine Modelagentur, also musste ich die attraktiven Girls selbst finden.
Der naheliegendste Ort war natürlich der Strand. Wann immer ich ein Mädchen sah, das sich wahrscheinlich gut fotografieren liess, ging ich einfach auf sie zu und fragte höflich, ob sie sich fotografieren lassen würde. Sie stimmten in der Regel bereitwillig zu, aber man hatte nicht lange Zeit, einen geeigneten Hintergrund zu suchen oder sie zu bitten, ihre Frisur oder ihr Kostüm zu ändern. Ich musste das Beste aus der gegebenen Situation machen. Ich verfolgte auch die Schönheitswettbewerbe, die häufig an der Riviera stattfanden und bei denen die «Reine de la Côte d'Azur», die «Reine de Nice» und andere Königinnen gewählt wurden. Wenn die Mädchen wirklich hübsch waren, habe ich versucht, sie an einem anderen Tag wieder zu fotografieren. Ich hielt immer Ausschau nach Frauen mit natürlichem, nicht die mit dem «Say Cheese»-Lächeln.
Ich hatte die Gelegenheit, ein aussergewöhnliches Mädchen kennenzulernen, Greta aus Dänemark. Sie war für einen Urlaub nach Nizza gekommen. Ich bemerkte sie bei einem Spaziergang auf der Promenade des Anglais. Mit einer Reihe von Fotos von Greta gelang mir der Einstieg in den Markt der Titelbilder für Zeitschriften. Die Illustrated, eine der grossen Zeitschriften Englands, verwendete ein Titelbild und eine Reihe von Fotos und veranstaltete sogar einen Leserwettbewerb, um das Bild mit der beliebtesten Pose zu wählen.
Ich habe eine grosse Anzahl sehr attraktiver Frauen fotografiert; keine von ihnen war ein professionelles Fotomodell. Viele wurden Filmschauspielerinnen, andere heirateten berühmte Männer – das amerikanische Fotomodell Gregg Sherwood heiratete den Autofabrikanten Horace Dodge; die Schönheitskönigin Myriam Bru den deutschen Schauspieler Horst Buchholz; das französische Modemodell Eliette Mouret wurde die Frau des Dirigenten Herbert von Karajan. Die Glamour-Fotografie konnte recht nützlich sein – oft bekam man einige Bilder eines hübschen Mädchens, das man am Strand entdeckte, nachdem man vergeblich versucht hatte, eine für die Presse interessante News-Persönlichkeit zu finden.
Als ich später nach Fotomaterial für ein Filmprojekt über Pin-ups suchte, stellte ich mit Erstaunen fest, dass die meisten Bilder, die ich anfangs der Fünfzigerjahre gemacht hatte, auch heute, 40 Jahre später, noch so hätten aufgenommen werden können. Die Badeanzüge oder Strandkleider, die Frisur, das Make-up – nichts scheint sich von der heutigen Mode zu unterscheiden. Anders 50 Jahre früher: Natürlich haben sich die Strände verändert – einsame Flecken an der Côte d’Azur sind selten geworden. Wenn man an Fotos von jungen Damen erinnert, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts an einem mondänen Sommerort aufgenommen wurden, erscheint der Unterschied zu den Mädchen, die ich in den fünfziger Jahren fotografiert habe, enorm. Man hat Bilder von praktisch vollständig bekleideten Damen vor Augen, die einen hübschen Sonnenschirm tragen und ihren Fuss am Ufer ein wenig ins Meer tauchen. Kein Vergleich zu den Bildern aus den fünfziger Jahren.