Aristoteles Onassis, der legendäre griechiche Reeder

Die Bekanntschaft mit dem legendären griechischen Reeder, der durch seine Geschäfte und die opulenten Einladungen auf seiner luxuriösen Superyacht Christina das gesellschaftliche Leben an der Côte d’Azur massgeblich prägte.

Edward Quinn

Die Geschichte von Onassis begann für mich 1953, an dem Tag, an dem ich vom TIME-Magazin gebeten wurde, ein Foto von einem Griechen zu machen, der ein beträchtliches Aktienpaket des Casinos von Monte Carlo gekauft hatte.  Meine Recherchen führten mich zu einem Aristoteles Onassis, dem Eigner eines Walfängers, der zu jener Zeit vor Nizza ankerte. Am Hafen gelang es mir, einen Mann zu fotografieren, dessen Erscheinungsbild der Beschreibung entsprach; doch stellte sich heraus, dass es nicht Onassis war, sondern einer seiner griechischen Geschäftspartner. Dieser informierte mich darüber, dass Onassis in der Villa Château de la Croë residierte – gelegen am Cap d’Antibes.

Die stattliche Villa thronte inmitten eines weitläufigen Parks direkt an der Küste und war bekannt als die Zufluchtsstätte des Herzogs von Windsor und Wallis Simpson während ihrer Flitterwochen – nachdem er für sie auf den englischen Thron verzichtet hatte. Ein Maître d’hôtel ganz in Weiss empfing mich an der Tür; kurz darauf erschien Onassis. Mit einem Lächeln hörte er sich den Grund meines Besuchs an und entgegnete sogleich: «Ich bin kein Filmstar und möchte mein Konterfei nicht in der Presse sehen.» Trotzdem gestattete er mir einen Blick in sein Fotoalbum und lud mich ein, jegliche Aufnahmen meiner Wahl mitzunehmen – viele davon zeigten einen stolzen Onassis vor seinen Schiffen oder Tankern bei deren Taufe mit einer Flasche Champagner. Ich erwiderte, dass ich es als Fotograf bevorzuge meine eigenen Bilder zu schaffen. Daraufhin zuckte Onassis lediglich mit den Schultern und nahm sein Album zurück, und ich ging enttäuscht. 

Zufälligerweise war ich am selben Tag mit einigen anderen Journalisten zu einem Drink in Spyros Skouras' Zimmer im Hotel Negresco in Nizza eingeladen. Skouras war damals Chef der Filmgesellschaft 20th Century Fox, und ein französischer Erfinder, Professor Chretien, hatte ihm gerade seine neueste Erfindung, das Cinemascope-Breitbildobjektiv, verkauft. Im Gespräch mit Skouras erwähnte ich mein Treffen mit seinem Landsmann. In diesem Moment klingelte das Telefon, und Skouras nahm ab. Mit einem Lächeln im Blick sagte er ins Telefon: «Warum schaust du nicht vorbei?» Kurze Zeit später betrat Onassis den Raum und war natürlich überrascht, mich zu sehen. Skouras, bester Laune, meinte zu Onassis: «Du warst nicht sehr kooperativ mit unserem Freund von der Presse. Komm schon, Ari, lass uns ein gemeinsames Foto machen.» Onassis lachte und setzte sich etwas widerwillig neben Skouras, der alle Getränke wegräumte (um die amerikanische Liga der Abstinenzler nicht zu verärgern). So entstand mein erstes Pressefoto von Onassis – vermutlich auch das erste, das ihn der Öffentlichkeit zeigte.

Ich hatte das Privileg, viele exklusive Bilder von ihm zusammen mit seiner Frau Tina und den Kindern Alexander und Christina im Château de la Croë und auf der Jacht aufzunehmen. Tina Onassis, die Tochter des griechischen Schiffsmagnaten Stavros Livanos, der ebenso bedeutend wie ihr Ehemann Aristoteles Onassis war, hatte ihre Ausbildung in England und den Vereinigten Staaten genossen und sprach fliessend Englisch, und ich habe mich immer sehr gut mit ihr verstanden. 

Onassis hatte sich auf spektakuläre Weise bemüht, sie zu beeindrucken. Einmal raste er in Oyster Bay, Long Island, in einem Schnellboot an Tina vorbei, wobei er ein Transparent mit den Buchstaben T.I.L.Y. (Tina I love you). Onassis schenkte ihr auch ein goldenes Armband mit einer goldenen Münze, die die Aufschrift Saturday, 7 p.m. 17 April 1943, T.I.L.Y. trug. Als sie fragte, was die Inschrift bedeute, sagte Onassis: «Das war der Tag, an dem ich mich in dich verliebt habe.» Tina war damals erst 14 Jahre alt. Obwohl Onassis eher klein von Statur war, strahlte er eine offensichtliche Männlichkeit aus, die Frauen anzog. Viele von ihnen bezeichneten ihn als den charmantesten Mann ihrer Zeit. Neben seinem luxuriösen Lebensstil war es vor allem sein charismatischer Charme, der ihn so beliebt machte. Frauen schätzten seine Aufmerksamkeit und das Gefühl, einzigartig zu sein. 

Das muss auch für die Operndiva Maria Callas gegolten haben. Während einem Ausflug auf der Christina entwickelte sich eine Freundschaft zwischen ihnen. Zusammen mit ihrem Ehemann und Impresario Giovanni Meneghini, einem italienischen Millionär, waren sie mit Sir Winston und Lady Clementine Churchill und einigen anderen Gästen zu einer dreiwöchigen Kreuzfahrt durch den Golf von Korinth eingeladen. Kurz nachdem sie Monaco verlassen hatten, gerieten sie in schlechtes Wetter. Die meisten der Gäste an Bord wurden seekrank und mussten in ihren Kabinen bleiben. Die einzigen Ausnahmen waren La Callas und Onassis, die vor allem nachts viele Stunden allein an Deck blieben. Bei ihrer Rückkehr gestand Maria ihrem Mann, dass sie sich in Onassis verliebt habe. Freunde sagten, die Callas sei für Onassis die richtige Partnerin gewesen, aber obwohl sie ihren Mann verliess, kam es nie zur Hochzeit mit Onassis.

An Bord der Christina erwartete die Passagiere erstklassiger Luxus. Das Schiff, ursprünglich eine kanadische Fregatte, wurde von den Howaldtswerken zu einer exklusiven Luxusjacht umgebaut. Onassis bestand darauf, dass sämtliche modernen Annehmlichkeiten, einschliesslich der neuesten Klimaanlagen und elektronischen Geräte, eingebaut wurden. Zusätzlich entstanden ein Kino, eine Krankenstation und ein Operationssaal mit Röntgenanlage.

Onassis selbst residierte in einer prächtigen Drei-Zimmer-Suite auf der Christina. Über seinem Louis XV-Schreibtisch hing ein Gemälde von El Greco, flankiert von zwei goldenen Schwertern – Geschenke von Ibn Saud, dem Gründer Saudi-Arabiens. In den Badezimmern zierten goldene Wasserhähne in Form von Delphinen die Waschbecken. Jede der Gästesuiten war nach einer griechischen Insel benannt und von einem anderen Künstler individuell gestaltet. Die Kabine Chios war exklusiv für Churchill reserviert und verfügte über eine massgeschneiderte Nachtleselampe über dem Bett. Alle Kabinen waren mit Telefonen für den 24-Stunden-Zimmerservice ausgestattet und ermöglichten sogar Transatlantikgespräche.

Der Swimmingpool auf dem Achterdeck der Christina war ein wahres Prunkstück. Er war mit einem Mosaik ausgelegt, das eine Szene aus der griechischen Mythologie darstellte: den Stier des Minos – eine Kopie des Fussbodens im Palast von Minos in Knossos. Auf Knopfdruck konnte der Pool bis zu einer Tiefe von 2,5 Metern abgesenkt und dann mit warmem Meerwasser gefüllt werden. Bei Bedarf verwandelte er sich in eine Tanzfläche von 15 Quadratmetern. Einmal überraschte Aristoteles Onassis Winston Churchill, indem er den Boden absenkte, während Churchill dort sass. Im Nachhinein amüsierte sich Churchill über den Scherz, obwohl er zunächst befürchtete, ein ungewolltes Bad zu nehmen.

Der Speisesaal im Louis-XV-Stil war mit vier Wandgemälden des französischen Künstlers Marcel Vertés geschmückt. Im Spielzimmer befand sich ein grosser Kamin aus Lapislazuli, Onassis’ Lieblingsstein, und in einer Ecke stand ein Flügel. Unter den Gemälden in der Bibliothek und im Spielzimmer fanden sich auch Porträts von Tina sowie den Kindern Christina und Alexander. Als Winston Churchill Onassis eines seiner Gemälde schenkte, erhielt dieses den Ehrenplatz im Empfangsraum.

In der gemütlichen Bar wurden eine Vielzahl von Aperitifs und Likören angeboten. Die Barhocker waren mit weissem Walfischleder bezogen. Wenn Onassis einen weiblichen Gast auf einem dieser Hocker sah, machte er gerne einen Scherz: «Ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus, aber Sie sitzen zufällig auf den Geschlechtsteilen eines riesigen Wals.»

Onassis lud häufig Prominente an Bord der Christina und zu Galadiners in Monte Carlo ein. Er bevorzugte Hollywood-Stars wie Greta Garbo, Cary Grant, Marlene Dietrich, Frank Sinatra, Ava Gardner, Gary Cooper, John Wayne und Sammy Davis Jr. Seine Gästeschar war kosmopolitisch, und bei seinen Partys waren auch adlige Gäste dabei. Prinzessin Marie-Gabrielle von Savoyen, ihre Schwester Maria Pia mit ihrem Ehemann Prinz Alexander von Jugoslawien, die Maharanee von Baroda, die Rainiers, der ehemalige König Peter von Jugoslawien und seine Frau Princess Alexandra of Greece and Denmark, Prinzessin Aly Khan gehörten dazu. Natürlich waren auch wichtige Persönlichkeiten aus der Schifffahrt und dem Ölgeschäft anwesend.

Die Publicity, die er durch seine Verbindungen zu berühmten Persönlichkeiten erhielt, half ihm sicherlich bei seinen Geschäftsprojekten. Sobald er einen interessanten Kontakt knüpfte, setzte er sein gesamtes Vermögen, sein luxuriöses Boot und seine berühmten Freunde ein, um mit überzeugendem Charme komplexe Verträge auszuhandeln. 

Ich hatte oft das Vergnügen, an Bord der Christina zu sein, wenn Aristoteles Onassis eine dieser üppigen unvergesslichen Partys veranstaltete. Als einer der wenigen Fotografen, die an Bord zugelassen waren, konnte ich frei fotografieren. Wir hatten sozusagen ein Gentlemen’s Agreement. Onassis und Tina schätzten meine Arbeit und respektierten mich. Sie sahen die Fotos in den Magazinen und hatten nie Einwände gegen eines der Bilder.

Der Abend an Bord begann stets mit Cocktails, die am Rande des Swimmingpools und im Spielzimmer serviert wurden. Onassis bevorzugte keine ausgefallenen Getränke, sondern seine griechischen Lieblingsgetränke: Ouzo und Mezés. Er verstand es meisterhaft, jedem Gast das Gefühl zu geben, willkommen zu sein. Selbst wenn die Jacht überfüllt war, fand er für jeden einen Moment Zeit. Er bewegte sich zwischen seinen Gästen, schenkte der hübschen Geliebten eines Geschäftsmannes genauso viel Aufmerksamkeit wie einem reichen Industriellen, mit dem er Geschäfte verhandelte. Sogar diplomatisch genug, um mit seinem Erzrivalen und Schwager Niarchos zu sprechen.

Aristoteles Onassis’ Frau Tina spielte eine zentrale Rolle bei diesen brillanten Empfängen. Doch schliesslich hatte sie genug von der Publicitysucht ihres Mannes und dem endlosen Highlife, das zu einem wesentlichen Bestandteil seines Lebens geworden war. Die Liaison mit Maria Callas sowie einige andere Affären führten schliesslich dazu, dass Tina die Scheidung einreichte. Sie erklärte das Scheitern ihrer Ehe mit den Worten: «Ich mochte immer einfache Dinge, aber Ari begann, die Extravaganz zu bevorzugen. Er war eine wunderbare Person, aber nachdem er in Monte Carlo das Ruder übernommen hatte, verdarb ihn sein Erfolg in der High Society und ruinierte unser gemeinsames Leben.»

Als Onassis Winston Churchill traf, wusste er, dass dies die wichtigste Begegnung seines Lebens war. Die beiden Männer lernten sich durch Churchills Sohn Randolph kennen, der ein Freund von Onassis war. Sir Winston nahm eine Einladung zum Mittagessen mit Onassis in Monte Carlo an, und die beiden mochten sich auf Anhieb. An diesem Tag begann eine Freundschaft, die bis zum Tod Churchills andauerte.

Onassis war so sehr um Churchills Wohlbefinden besorgt, dass er sich einmal, als er auf der Christina erwartet wurde, auf das Bett in Sir Winstons Kabine legte. Dann veranlasste er den Chefingenieur, die Motoren bei verschiedenen Geschwindigkeiten laufen zu lassen, um die Reisegeschwindigkeit zu finden, die die geringsten Vibrationen verursachte.

Churchill brachte seinen Wellensittich Toby immer mit an die Riviera. Eines Tages beschloss der Sittich, die Mittelmeerluft zu geniessen und flog davon. Churchill war so niedergeschlagen, dass Onassis eine Suchaktion organisierte, nicht nur in Monte Carlo, sondern entlang der gesamten Küste. Die Polizei und die Feuerwehr wurden mobilisiert, und Onassis drehte fast durch und ging nicht einmal zu Bett, während er die Suchaktion leitete. Glücklicherweise wurde der Wellensittich müde und wurde 20 Kilometer entfernt bei Nizza gefunden.